„Segen“ und „Segen sein“ – das ist das Motto der diesjährigen Laudes-Reihe. Wenn wir uns die Reihe anschauen, stellen wir fest, dass für die Lesung sehr oft Abschnitte aus dem Buch Genesis gewählt wurden. So wie heute Gen 12,1-6. Das knüpft ganz wunderbar an die Laudes-Reihe vom vergangenen Jahr an, die stand unter dem Motto: Kirche am Nullpunkt. Der Nullpunkt, von dem aus man neu starten, neu anfangen kann. Das Buch Genesis ist voll von Nullpunkt und Neuanfang!
Da ist zunächst die Erschaffung der Welt aus dem Chaos, aus dem Nichts heraus. Dann macht Gott die Menschen, es folgen die Schlange, der Sündenfall und die Vertreibung aus dem Paradies. Adam und Eva müssen fortziehen und neu beginnen. Kain und Abel werden geboren, der Brudermord, das Kainsmal, der Neuanfang. Noah, die Arche, die Sintflut, der Aufbruch ins Ungewisse, und am Ende ein Regenbogen als Zeichen des Bundes: wieder ein Neuanfang. Und so geht es in einem fort.
Im 12. Kapitel, dessen Beginn wir eben gehört haben, geht es wieder um einen Neuanfang. Gott sendet Abraham, seine Familie und Begleiter, nach Kanaan. Dort soll er neu anfangen. „Geh fort aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus“ – schlicht aus allem! Ein Neuanfang XXL.
Als ich mir in Vorbereitung auf diese Laudes Gedanken gemacht habe zum „Segen“, kamen mir spontan zwei Dinge in den Sinn: Zum einen das Schreiben aus dem Vatikan vom vergangenen Dezember, mit dem grundsätzlich auch der Segen gleichgeschlechtlicher Paare eingeräumt wird. Die einen jubelten darüber, andere allerdings sahen sich getäuscht. Das, was wir wollen, dürfen wir nicht. Das zweite, was mir einfiel, geht in eine ähnliche Richtung: die immer wiederkehrende Frage: Wer darf segnen? Was dürfen wir Laien? Was dürfen nur Priester?
Wer darf segnen?
Im Buch Genesis mit den vielen Neuanfängen geht es um etwas anderes. Nicht ums Dürfen oder Wollen. Hier geht es ums Tun, ums Handeln. Um den Segen als Auftrag: „Du sollst ein Segen sein.“ Du sollst Dich auf den Weg machen. Du sollst den Segen weitertragen. Mach was!
Wer Segen sein will, muss runter vom Sofa und rein in die Welt. Das kann eine ziemliche Herausforderung sein, auch das sagt uns diese Geschichte. Nicht nur, dass Abraham alles verlassen soll (Land, Verwandtschaft und Elternhaus) – er war auch nicht mehr der Jüngste. Mit 75 Jahren macht er sich auf den Weg. 800 Kilometer zu Fuß von Haran nach Kanaan.
Segen sein, ist nicht unbedingt bequem. Es ist wie in unserer Demokratie, von der Franz Müntefering einmal sagte, sie sei „kein Schaukelstuhl“. Wer etwas erreichen möchte, muss sich aufmachen und muss Zeichen setzen.
Und genau das ist die Bedeutung des Wortes Segen: vom lateinischen „signare“, was so viel wie „kennzeichnen“ heißt. Das Wort „Signal“ kommt daher. Auch die „Signalfarbe“, also etwas, das bewusst auffällt. Segnen heißt: Zeichen setzen! Wer Segen ist, ist sichtbar für andere.
Im Radio habe ich diese Woche einen Beitrag über zwei Schwestern gehört, die gemeinsam ein Weingut an der Ahr hatten. Bei der großen Flut im Juli 2021 wurden sie von den Wassermassen buchstäblich aus ihrem Haus gespült. Zusammen mit allen Geräten und Tausenden Flaschen und Fässern Wein wurden sie einfach weggespült. Durch einen großen Zufall konnten sie beide sich am selben Baum festhalten, der in den Fluten stand. Dort in der Baumkrone haben sie 8 Stunden lang ausgeharrt und sich immer wieder gegenseitig Mut gemacht, dass sie das hier schaffen werden. Dass sie überleben. Dass sie Rettung erfahren. Es war ein Segen, dass sie sich hatten.
Die Heilige Franziska von Rom, deren Gedenktag die Kirche heute feiert, hat sich vierzig Jahre lang mitten in der Pest, in der Verwahrlosung einer heruntergekommenen Stadt für Kinder, Kranke und Arme eingesetzt. Sie stiftete ein Kloster, in das sie nach dem Tod ihres Mannes selbst als Ordensschwester eintrat. Als Adlige hätte sie es leichter haben können. Aber sie entschied sich für diesen Weg. Segen sein für andere.
„Durch Dich sollen alle gesegnet werden.“ Das kann richtig anstrengend sein. Segen sein kostet Kraft. Aber es lohnt sich.