An diesem Sonntag feiert die katholische Kirche den „Wort Gottes Sonntag“. Papst Franziskus hat ihn 2019 eingeführt, um deutlich zu machen, dass im Mittelpunkt christlichen Glaubens nicht nur die Feier des Brotes (Eucharistie) steht, sondern auch die Feier des Wortes. In seinem apostolischen Schreiben von damals heißt es: „Ohne die Heilige Schrift sind die Ereignisse der Sendung Jesu und seiner Kirche in der Welt nicht zu verstehen.“ Es sei daher richtig und wichtig, „dass sich die christliche Gemeinschaft zu bestimmten Gelegenheiten auf den großen Wert besinnt, den das Wort Gottes in ihrem alltäglichen Leben einnimmt“.
Die Wort-Gottes-Feier (Wortgottesdienst) als eigene Liturgie-Form trägt dieser Initiative Rechnung – wird aber bislang leider weitgehend als Ersatz für ausfallende Messen verstanden. Frauen und Männer, die als Laien dafür ausgebildet wurden, übernehmen in unseren Seelsorgebereichen ehrenamtlich die Leitung dieser Feiern. Die Resonanz der Gemeinden ist oft eher zurückhaltend – bis hin dazu, dass einzelne Gläubige aufstehen und die Kirche wieder verlassen, wenn sie feststellen, dass keine Messe zelebriert, sondern „nur“ das Wort Gottes gefeiert wird.
Das ist gegenüber den Ehrenamtlichen nicht nur ziemlich unhöflich, es widerspricht auch dem Anliegen des amtierenden Papstes wie auch Äußerungen seines Vorgängers, Papst Benedikt XVI. Der schrieb schon 2007: „Von größtem Gewicht für die Liturgiefeier ist die Heilige Schrift.“ Um Erneuerung und Fortschritt der Liturgie voranzutreiben, müsse daher auch das „lebendige Ergriffensein von der Heiligen Schrift“ gefördert werden. Wort-Gottes-Feiern sind das entsprechende Mittel dazu.
Predigt: Lesen, hören, deuten, verstehen
Die Schriftlesungen an diesem Sonntag bestätigen das. Im Buch Nehemia (Neh 8,2-10) wird über die Rückkehr der Israeliten aus dem babylonischen Exil berichtet. Sie kommen vor den Ruinen des Tempels in Jerusalem zusammen und – hören die Schrift (hier die Bücher Mose), aus der vorgelesen und deren Texte ausgelegt werden. Das, was wir heute als Predigt (auch von Laien) kennen. Im Evangelium dieses Sonntags (Lk 1,14–21) ist es ebenso: Jesus geht in seiner Heimat Nazareth in die Synagoge. Im Mittelpunkt der Feier steht die Schrift (hier das Buch Jesaja), das Lesen und die Diskussion darüber.
Wortgottesdienste sind also nicht weniger wert als eine Messe, sie haben einen anderen Schwerpunkt. Nämlich das Wort Gottes hören, verstehen, deuten und auf mein eigenes Leben zu beziehen. Es ist nur eben so, dass – wie der Theologe Gunther Fleischer schreibt – das Wort Gottes in der Kirche „jahrhundertelang de facto vernachlässigt“ wurde.
Die Feier am Altar des Wortes gehört zu unserem Glauben und unserer Glaubensausübung dazu wie die Feier am Altar des Brotes. Es gibt keine Rangfolge. Allerdings wird die weiter abnehmende Zahl amtierender Priester dazu beitragen, dass langfristig das Wort häufiger gefeiert werden wird, als das Brot. Am Gottes-Dienst (Dienst Gottes am Menschen und Dienst der Menschen vor Gott) muss sich dadurch nichts ändern. Das Gedächtnis Jesu Christi feiern wir dennoch. Und um Gottes Wirken und unser christliches Verständnis auf der Welt von heute in unserm Leben umzusetzen, ist das ein guter Ansatz.