Predigt zum 30. Sonntag im Jahreskreis B (Mk 10,46-52)

Eine Szene vor kurzem bei der Ferienbetreuung auf einem Schulhof. Ein Mädchen war beim Toben mit dem Fuß umgeknickt. Nun saß es auf dem Boden und klagte, dass ihm der Fuß wehtat – und rief nach der etwas entfernt stehenden Betreuerin. Deren Reaktion: „Und was soll ich jetzt tun?“ – „Na, herkommen!“

Ich musste bei dieser Szene an das Evangelium dieses Sonntags denken. Es berichtet – etwas lapidar gesagt – von einer der typischen Heilsgeschichten Jesu. Diesmal ist es kein Taubstummer oder Lahmer, sondern ein Blinder. Er hockt an der Straße, und als er hört, dass Jesus da ist, schreit er nach ihm. Jesus ruft ihn zu sich, heilt ihn, fertig.

So einfach? – Nein, so einfach macht es Jesus dem Blinden nicht. Er fragt ihn: „Was soll ich dir tun?“ – Die Antwort: „Rabbuni, ich möchte wieder sehen können.“ Der Heilung von dem Übel, dem Wieder-Sehen-können und dem folgenden Lobpreis auf Gott geht etwas voran, was angesichts der vielen Klagen, die uns heute von allen möglichen Seiten ereilen, oft fehlt: der klar artikulierte Wunsch, was denn konkret anders sein soll. Wie es besser sein kann, und was wir erreichen wollen.

Wünsche lassen sich nicht delegieren

Natürlich gibt es heutzutage viele Menschen, die tatsächlich vom Leben hart geprüft oder benachteiligt sind. Blinde, Lahme und Taubstumme. Bettler oder Obdachlose. Menschen, die (zum Beispiel im Hochwasser in diesem Juli) Haus und Habe verloren haben oder einen lieben Angehörigen oder Freunde, oder die selbst schwer krank sind. Und dann gibt es auch die, die sich subjektiv benachteiligt fühlen und deshalb klagen und jammern. Gefühlt ist in ihrem Leben alles schlecht. Doch wissen sie, was sie wirklich wollen? Wissen wir immer, was wir wirklich wollen, wenn wir uns mies fühlen?

Ein dem Philosophen Seneca zugeschriebenes Sprichwort lautet: „Wer den Hafen nicht kennt, in den er segeln will, für den ist kein Wind der richtige.“ Die Begegnung Jesu mit dem Blinden zeigt uns: Wir dürfen unsere Hoffnung und unseren Glauben auf Gott setzen und uns davon leiten und tragen lassen auf dem Weg zu unseren Zielen. Die Ziele und unser Wünschen selbst können wir aber nicht delegieren.

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